Claire
Feuer - Wasser
Mit Claire hatte ich eine unglaublich schöne Begegnung, die mir eine Inspiration gab, die ich gerade gut gebrauchen kann.
Tag 6. Ich spielte in dem kleinen Örtchen Le Cheylard im Ortszentrum und durfte sehr offenherzigen und dankbaren Menschen begegnen. Da kommt - als ich gerade einpacke - Claire zu mir.
Eine vergnügte 70 jährige Frau von zierlicher Statur. Mit ihrem rosanen langen Rock, rosanen T-shirt und rosanen Hut strahlt sie genau die Leichtigkeit aus, die sie in sich trägt. Sie drückt mir frisches Obst in die Hand - weil es ihr zu langweilig scheint, mir Geld zu geben - und ich freue mich über regionale Aprikosen und Pfirsiche. Sie scheint irgendwie noch mehr für mich tun zu wollen und fragt, was ich denn bräuchte und ob ich einen Schlafplatz habe. Es ist erst 10 Uhr Vormittags und ich merke, dass es mich weiter in den Süden zieht. Aber ich wittere meine Chance meinem verschwitzten Köper endlich eine Dusche zu gönnen.
So schmuggelt sie mich eine halbe Stunde später in ihre Seniorenresidenz, wo sie mich mit Dusche und Essen versorgt, ein Traum!
Claire redet munter drauf los und erzählt mir von ihrem Leben, wobei sie schnell zwischen den Themen springt und ich mir manchmal schwer tue ihr zu folgen. Sie wirkt zu Beginn wirr aber ich merke schnell, wie tief sie in E2 verankert ist. Als wir anfangen über Emotionen, Menschen und den Sinn des Lebens zu reden, erscheint plötzlich eine Klarheit in ihrem Ausdruck und ihren Sätzen, die man vorher so nicht vermutet hätte.
Ich kenne das nur zu gut von mir:
Überwältigt von den vielen Gedanken und Gefühlen die ich habe, fällt es mir manchmal schwer, eine Ordnung zu finden, der andere Menschen folgen können. Das Schreiben hilft mir dafür sehr. Aber dennoch, jeden Blogartikel schicke ich vor dem Veröffentlichen einmal Isi, die mir sagt, an welchen Stellen es für sie nicht mehr greifbar ist, oder wo ich den roten Faden verliere.
Die Flut an Inspiration, die Claire aus dem Leben zieht, sieht man auch sofort in ihrer Wohnung. Ich würde es nicht Chaos nennen, da ich ihren Ausdruck von E2 überall erkenne. Karten, Sätze, Worte, Bücher. Claires geringer Erdanteil macht sie nicht zu einer Meisterin der ordentlichen Haushaltsführung aber ihr Wasseranteil sucht einen Ausdruck und den verteilt sie munter in ihrer Wohnung.
Als ich aus der Dusche komme, hat sie ihre rosa Kleidung in ein Himmelblau eingetauscht. Natürlich mit dem passenden Himmelblauen Hut dazu.
Zu ihrem tiefen Wasser, lebt Claire ein loderndes Feuer. Vor ungefähr einem Jahr hat sie kurzerhand ihr Haus verkauft, in dem sie 40 Jahre lang gewohnt hatte. Sie suchte die Veränderung - die Freiheit, stürzt sich so voller Mut in das Leben und war wohl früher auch viel am Reisen. Als sie dann auch noch anfängt von den Elementen zu reden, bin ich begeistert. Diese Frau spricht genau meine Sprache!!
Sie erzählt mir, wie sie ihr Leben in die Hand nimmt, entgegen dem, was die Gesellschaft von ihr erwartet. Gleichzeitig ist sie sich sehr wohl bewusst, wie diese impulsiven und leidenschaftlichen Handlungen auf Menschen wirken können. Um zu vermeiden, dass sie von der Gesellschaft den Stempel der Verrückten aufgedrückt bekommt, spielt sie also ab und zu das Spiel mit. Sie zieht sich etwas normales an und vergnügt sich mit den Alltagsaktivitäten, mit denen sich die meisten Menschen vergnügen. Ich fühle so mit ihr.. Ich kann gar nicht mehr aufhören, Fotos von all den Sätzen und Gedichten zu machen, die in ihrer Wohnung hängen und freue mich, als sie mir ein Buch mitgibt, über das ich bei meiner Erforschung ihrer Wohnung stoße.
Ich erzähle ihr von meinen Projekten und merke, wie sie genau versteht, um was es mir bei der ganzen Sache geht. Es fällt mir schwer, den Kern meines Vorhabens in Worte zu fassen und ich freue mich, wenn dieser - ohne Erklärung - in meiner Musik, meinen Texten und meinen Videos rüber kommt.
Nachdem meine frisch gewaschene Kleidung in der Sonne ein wenig trocknen durfte, mache ich mich nach einer herzlichen, und von beiden Seiten dankbaren Begegnung weiter auf den Weg Richtung Süden.
Es gibt Momente, da kickt das Gesellschaftsprogramm in meinem Kopf und ich frage mich, was ich hier eigentlich gerade tue. Mache Urlaub und nenne es Projekt. Spiele für einen Haufen Ameisen Trompete und nenne mich Trompeterin. Hantiere wie bescheuert mit einem Handystativ rum, um einen Moment aufzufangen, der in dem Moment vorbei war, als ich ihn auffangen wollte.
Und so sehr ich aus weiß, dass ich im Orchester nie glücklich geworden wäre, so klar meldet sich auch immer wieder die Stimme, die mich nur mit einem festen Job im Orchester, als Trompeterin ernst nehmen will.
Mehr und mehr sind das aber nur Momente. Eine dunkle Wolke, die sich über das drüber setzt, das ich eigentlich bin und will.
Claire - ein einziger Sonnenschein - die sich vergnügt in das Leben schmeißt und sich das von kritischen Stimmen nicht nehmen lassen will, hat mir wieder klar gemacht, wofür ich das alles hier tue.
Die Freiheit, die diese Frau lebt, ist ein Glück, das jeder Mensch sucht und je mehr wir unsere inneren Konflikte erkennen und uns darauf einlassen, desto mehr erfüllte Menschen wird es auf dieser Welt geben.
Und dafür bin ich bereit, mich mit allem was ich bin und habe hinzugeben. So blöd ich mir damit auch manchmal vorkommen mag und so hart die inneren Mauern, gegen die ich dabei täglich renne, mir manchmal scheinen mögen.